KLASSIK
CDs
|
NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
I—
<
O
2
LU
O
o
Sabine
Meyer
Wolfgang Amadeus Mozart
MOZART ARIAS
Sabine Meyer, Polina Pasztircsâk, Kammerorches-
ter Basel, Andreas Spering
Sony CD________________________ (
61
’)
Kein anderes Blasinstrument hat
Mozart so geliebt, wie die Klari-
nette und ihr Schwesterinstrument,
das Bassetthorn. In seiner schier
unglaublichen Bläserserenade KV
361 („Gran Partita“) zaubert er mit
je zwei Klarinetten und Bassett-
hörnern bis dato noch nie gehörte
Klangbilder, die er im Klarinetten-
quintett KV 581 und -konzert KV
622 in immer neuen Facetten va-
riiert. Mit herausragenden Partien
bedenkt er Klarinetten auch im Or-
chester. In seiner letzten Oper „La
clemenza di Tito“ fungieren Klari-
nette und Bassetthorn zudem als
solistische Dialogpartner in je ei-
Wolfgang Amadeus Mozart
CONCERT ARIAS
Rolando Villazön, London Symphony Orchestra,
Antonio Pappano
DG CD (V.Ö.:
17
.
1
.)_________________ (
63
]
Eine kleine persönliche Anmer-
kung: Nicht selten musste der
Schreiber dieser Zeilen in sei-
nen Jahren als Musikdramaturg
deutschsprachiger Theater erle-
ben, dass bei Vorsingen - wenn es
um die Besetzung von Mozart-Par-
tien ging - Sänger mit wunderba-
rem Material weggeschickt wurden,
weil sie eben „keine Mozart-Sän-
ger“ wären. Doch wer oder was ist
ein Mozart-Sänger? Einer mit sehr
schlanker, oft freilich allzu schmal-
spuriger, steriler, gar vibratoloser
Stimme? Wäre, pars pro toto, Ce-
sare Siepi, der große Don Giovan-
ni, dann eigentlich Mozart-Sänger?
Anhänger des erwähnten „reinen“
Mozarts-Gesangs warfen Villazön
bei seinem „Lucio Silla“ im Sommer
ner Sopran-Arie. („Parto, parto“,
Arie des Sesto mit Klarinette und
das Rondo der Vitellia „Non piü di
fiori“ mit Bassetthorn) Diese bei-
den außergewöhnlichen Stücke bil-
den das Gerüst des vorliegenden
Programms.
Durch Mozarts Gestaltung der
Gesangs- und Klarinettenpartien
ließen sich Sabine Meyer und der
hervorragende Arrangeur Andreas
in Salzburg jedenfalls ein „Dauer-
vibrato“ vor.
Sind es (auch) diese Vorwürfe, die
den sympathischen Mexikaner dazu
verführten, nun die Stimme zurück-
zunehmen und auf schmalerer Spur
zu führen? Auf jeden Fall wirkt sein
Singen (und das dürfte kein Resul-
tat vergangener Stimmkrisen sein)
für meinen Geschmack monochro-
mer als sonst. Dies gilt auch für die
Interpretation. Gelegentlich - etwa
in „Aura che intorno spiri“ - erinnert
er an frühere Zeiten, doch scheinen
dies eher Momentaufnahmen. Und
die Höhe wirkt gelegentlich abge-
koppelt vom Rest der Stimme; über-
dies reißt er in höherer Lage die Tö-
ne etwas auf. Ganz köstlich freilich
jene Momente, in denen er sein ko-
misches Talent ausspielen kann, wie
etwa in der Einlagearie „Clarice ca-
ra mia sposa“ (mit Dirigent Antonio
Pappano als Sänger!). Bemerkens-
wert insgesamt die Dramaturgie des
Albums: Es sind selten zu hörende
Konzert- und Einlagearien für Tenor,
die Pappano mit dem London Sym-
phony subtil für Villazön aufberei-
tet.
Gerhard Persche
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
N. Tarkmann zu dieser Zusammen-
stellung inspirieren. So entstanden
aus Mozarts Konzert-Arien zehn
völlig neue Bläserpretiosen. Solo-
stimme, Orchesterbesetzung und
Tonarten wurden jeweils der Kla-
rinette und dem Bassetthorn an-
gepasst. Das verschleiert-dunkle
Timbre des Bassetthorns kommt
in der Alt-Arie KV 255 und den bei-
den Bass-Arien KV 541 und KV 621a
wundervoll zur Geltung, während A-
und B-Klarinette in den Sopran-Ari-
en KV 419, 178, 79, 582, 469, 119
und 580 brillieren.
Was Sabine Meyer hier an ins-
trumentaler Meisterschaft und Ton-
kultur zelebriert, ist einfach traum-
haft schön. Polina Pasztircsak mit
ihrem schlanken Sopran und das
ungemein rhythmisch und flexibel
agierende Kammerorchester Basel
erweisen sich als zuverlässige mu-
sikalische Partner.
Holger Arnold
MUSIK ★
★
★
★
KLANG
Z
<
LH
Als Klarinettistin unübertroffen:
Sabine Meyer
Roger Marsh, Bernardo Pisano u. a.
IL COR TRISTO
The Hilliard Ensemble
ECM/Universal CD
(
55
')
Auch nach 40 Jahren haben die
Hilliards ihre Entdeckerfreude be-
wahrt. Lustvoll kosten sie die Grenz-
bereiche aus, in die Roger Marsh die
Sänger treibt. Das Spektrum seines
textnah vertonten Dante-Zyklus „Il
cor tristo“ reicht von weich geflüs-
terten Klängen über theatralische
Deklamation bis zum exaltierten
Rufen. Dabei treten einzelne Sän-
ger aus dem Gesamtklang heraus
und zeigen ihr solistisches Poten-
zial, um sich anschließend wieder
in das Ensemble einzufügen. Ne-
ben der aufregenden Ersteinspie-
lung dieses zeitgenösssichen Stü-
ckes wirken die Madrigale aus dem
16. Jahrhundert etwas blass.
M.S.
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
Sergej Prokofjew, Bela Bartök
KLAVIERKONZERTE
Lang Lang, Berliner Philharmoniker, Simon Rattle
Sony CD_______________________ (
60
]
Lang Lang hat sein Publikum schon
vor manch harte Nuss gestellt: der
langsam verschleppte Beginn bei
Rachmaninows zweitem Konzert,
die manieristischen „Kindersze-
nen“, sein verpuffender Beetho-
ven. Nun hat er in seiner ersten
Produktion mit Berlins Philharmo-
nikern und Simon Rattle das dritte
Klavierkonzert von Prokofjew und
das zweite von Bela Bartök aufge-
nommen.
Keine Frage: Der Prokofjew gelingt
brillant. Die extreme Leichtläufigkeit
von Langs Fingern ist bekannt, hier
glitzert, perlt und wuchtet er sich
durch dieses Konzert mit einer fi-
ligranen Virtuosität und im Mittel-
satz mit einer ariosen Gestaltung
der Themen, die staunen macht. Vor
allem die Dialoge mit den Soloins-
trumenten des Orchesters geraten
munter, kurzweilig, präzise. Rattle
setzt sie wunderbar in Szene, und
nach einigen weniger berauschen-
den CD-Intermezzi hat man endlich
wieder den Eindruck, dass die Ber-
liner ihrem Noch-Meister mit Lust
und Hingabe folgen.
Bei Bartök dominiert Lang Langs
ungezügelter Spieltrieb dann je-
doch ein wenig zu sehr. Dieses Kon-
zert ist kein Prokofjew und, bei al-
len Ähnlichkeiten mit Strawinskys
„Petruschka“, immer noch echter
Bartök. Doch hier wirkt das Gan-
ze zu hochgezüchtet, zu motori-
siert. Die Ecksätze rauschen und
rasen am Hörer nur so vorbei, über
Bartöks subtile Rubato-Anregun-
gen fegt Lang hinweg. Natürlich lie-
fern die Berliner im ersten Satz eine
klasse Bläsergaudi, schnörkellos,
virtuos. Doch die Gesanglichkeit,
die es bei Bartök immer und eben
auch in diesem Konzert sehr wohl
gibt, geht verloren. Dass bei Orches-
ter und Solist alles auf technisch
höchstem Niveau abläuft, versteht
sich, macht es aber auch nicht bes-
ser. Weniger PS hätten mehr Musi-
kalität bedeutet.
Christoph Vratz
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
132 STEREO 2/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problematisch I ★ schlecht